Als ich Musik gemacht habe, Teil I

Ich habe mir heute abend gedacht, dass ich mal aufschreiben könnte, wie das damals war, als ich noch Musik produziert habe. Manche mögen es nicht wissen, aber von ca. 1995 bis 2001 habe ich regelmäßig Popmusik gemacht – im Rahmen meiner Möglichkeiten – und ich halte es für notwendig, dass einmal dokumentiert wird, wie das technisch alles funktioniert hat, denn ich fürchte ganz ehrlich, dass ich das in ein paar Jahren wieder vergessen haben könnte. Und dann kann ich es einfach hier im Blog nachlesen! Ich teile das Ganze in mehrere Episoden auf, die sich an der schubweise durchgeführten Aufrüstung meines technischen Equipments orientieren.

1995 gab es vier Dinge, die mich dazu bewogen hatten, Musik am Computer zu produzieren:

  1. Ich habe bemerkt, wie simpel gestrickt die ganzen Eurodance-Tracks dieser Zeit waren und dachte: »Das kann eigentlich jeder, also auch Du!«
  2. Ich nutzte meine klassische musikalische Ausbildung (musisches Gymnasium und Cello-Unterricht seit dem Kindergarten), um Popmusik im Allgemeinen zu analysieren und immer noch festzustellen, dass das eigentlich jeder könne, also auch ich.
  3. Ich bemerkte ferner, dass die Soundblaster-16-Soundkarte meines Escom-Computers in der Lage war, Klänge nicht nur wiederzugeben, sondern auch aufzunehmen.
  4. Ich hatte viel Freizeit.

Also versuchte ich mich an meinen eigenen Dance-Tracks, und das ging so: Ich hatte ein simpel gestricktes Wave-Bearbeitungsprogramm für Windows 95, das ähnlich wie CoolEdit funktionierte, aber (zunächst noch) nicht CoolEdit war, glaube ich. Es hatte nur eine einzige Spur zur Verfügung und war überhaupt nicht für das Bearbeiten von Musik ausgelegt. Im Grunde war es nur geringfügig komfortabler als der eingebaute Windows-Recorder. Aber man konnte mehrere Wave-Dateien gleichzeitig öffnen und einzelne Samples an beliebigen Stellen in andere Samples hineinmischen. Also legte ich mir eine Datei an, die mir als Mastermixspur dienen sollte und kopierte Sample für Sample aus anderen Klangdateien alle Einzelklänge in die Masterspur hinein. (Das musste übrigens gut geplant werden – jeder einzelne Kopiervorgang war quasi ein Mixdown und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.) Die verwendeten Klänge stammten aus drei unterschiedlichen Quellen:

  1. Ich klaute Fragmente von anderen Danceproduktionen, die ich auf CD hatte. Manchmal gab es coole Maxiversionen, wo man an bestimmten Stellen eine »freigestellte« Basedrum oder einen einzelnen Crash extrahieren konnte. Das waren Glücksmomente, denn ich wusste nicht, dass es prinzipiell Sample-CDs gab, die man hätte kaufen können. Ich habe hier übrigens niemals ganze Drumloops geklaut, sondern immer nur sogenannte »One-Shots«. Es gab ja eh keine Möglichkeit, das Tempo eines Loops anzupassen, hätte also auch nichts gebracht!
  2. Ich konnte Melodien erzeugen, indem ich das Musik-Notationsprogramm capella als Sequenzer missbrauchte. Natürlich klang die MIDI-Ausgabe auf meiner Soundblaster 16 grauenhaft quäkig, weil diese Soundkarte keine samplebasierten MIDI-Erzeugung hatte, aber immerhin: Ich konnte einfache Melodien und Grooves komponieren, abspielen lassen und mitschneiden, damit ich sie als Sample zu meiner Masterspur hinzufügen konnte.
  3. Da mein Vater für Klassik-Konzertaufnahmen immer genügend Mikrofone zu Hause hatte, nutzte ich auch diese Möglichkeit, um Gesang und Sprachsamples zu erzeugen und in die Produktionen einfließen zu lassen.

Wie bereits erwähnt, mussten die Samples alle manuell im richtigen Takt eingefügt werden. Man musste dabei immer die richtige Millisekunden-Position wissen, denn es gab in der Software keinerlei Kennzeichnung des Taktes. Dies hatte zur Folge, dass alle Stücke, die ich damals produzierte, mit exakt 150 Beats per Minute angelegt waren – denn nur bei dieser Geschwindigkeit war jeder Beat exakt 100 Millisekunden lang – und damit ließ es sich vortrefflich rechnen. Man stelle sich die Situation vor, als ich letzte Änderungen bei Minute 3:20 machen wollte – das waren ganz schön hohe Zahlen, und ich war buchstäblich der Musikant mit Taschenrechner in der Hand, auch wenn ich diesen Kraftwerk-Song zu der Zeit noch gar nicht kannte.

Um Festplattenplatz zu sparen, habe ich alle Songs in Mono und mit 22 kHz angelegt, aber immerhin in 16 Bit. Dadurch schaffte ich es, die einzelnen Stücke auf nur 5 oder 6 Disketten zu archivieren und potenziell an andere Hörer zu verteilen. Dies geschah jedoch nicht. Ich nannte mich in dieser Schaffensperiode übrigens »DJ Skydancer«, und das Album, welches ich schrieb, hieß »The Lost Tracks«. Ein sehr prophetischer Name, denn tatsächlich existiert zum Zeitpunkt, wo ich diese Zeilen schreibe, lediglich ein altes DAT-Band mit meinen frühen Kleinoden, welches ich noch auf Festplatte überspielen muss, was ich in Ermangelung eines DAT-Spielers erst in einigen Tagen machen kann.

So.

Einige Tage später: Ich kann mir vorstellen, dass eine Kostprobe hilfreich wäre, um zu verdeutlichen, wie das damals klang, in der ersten Phase meines Schaffens um 1995 herum. Bittesehr, hier ist Hit the Dancefloor von DJ Skydancer:

Mehr lesen