Braucht man ComBOTS?

Was machen wir jetzt? Klar, mal einen Artikel über ComBOTS schreiben. Worum geht’s? ComBOTS ist eine Aktiengesellschaft, die aus der allgemein bekannten Firma web.de hervorgegangen ist. Wir erinnern uns: Internet-Verzeichnis, Free E-Mails, Kopf- an-Kopf-Rennen mit GMX, dann ein Flop mit der seltamen Telefonielösung Com.Win.

Bereits im Dezember letzten Jahres veröffentlichte ComBOTS eine mysteriöse Screenpräsentation, in der sie die Weltherrschaft die weltweite Marktführerschaft im Bereich der digitalen Kommunikation ankündigten. Jawoll. Kleine Brötchen backen war gestern.

Letzten Donnerstag, am 13. Juli, starteten die aufstrebenden Visionäre einen großen Event in Karlsruhe, der Eindruck schinden sollte, ohne jedoch wirklich substanzielle Informationen zu bieten. Die Netzhure hat einen Erfahrungsbericht und der Werbeblogger fasst zusammen, Hintergründe über die ComBOTS AG gibt’s bei finanztreff

ComBOTS ist also, nach dreijähriger Entwicklungszeit, nun kurz vor der Beta-Phase angekommen. Und was ist’s geworden? Ein gepimptes ICQ mit proprietärem Protokoll. Das Interface soll sich im Idealfalle auf kitschige Avatar-Figürchen beschränken und man soll nicht nur chatten können, sondern auch Dateien verschicken, Telefonieren, SMSen usw. Also ein Universal Messenger für DSL-User, der einfach zu bedienen ist, keine Spyware enthält und auch sonst ganz toll.

Das Problem: Das Produkt wurde nur rudimentär angeteasert, nicht wirklich in Aktion gezeigt. Es gibt keine öffentliche Testversion und auch sonst gibt man sich weiterhin sehr bedeckt, was technische und konzeptionelle Details angeht. Ein Zeichen von Angst oder eher das Zurückhalten eines großen Asses im Ärmel? Bisher sind alle enttäuscht, Investoren, Blogger und Journalisten gleichermaßen, denn wer braucht schon einen weiteren IM-Dienst neben ICQ, AIM, Skype, Yahoo, MSN, Jabber und den anderen? Warum sollte man jetzt auf komische Avatar-Männchen umsteigen, wo jeder vernünftige Mensch solche Helferlein reflexartig wegklickt, Stichwort »Büroklammer«.

Außerdem haben selbst die »FriendlyWare«-Beteuerer von ComBOTS ganz schlechtes Karma auf sich geladen, indem sie mehrfach kritische Zeilen des ComBOTS-Wikipedia-Artikels zu löschen versuchten. Finger weg, Jungs: So wird das nichts mit dem Wir-haben-alle-lieb-Image!

Wenn es nach ComBOTS geht, sind sie das neue Google der Online-Kommunikation und streben ein weltweites Marktvolumen von 500 Mrd. Dollar an. Wenn ich das so bisher beurteilen kann, geht man da viel, viel, viel zu speziell in die Chatter- und SMSer-Welt hinein. Nicht jeder steht auf universale Lösungen, es gibt eine ganz große Anzahl von Leuten, die einzelne Tools für einzelne Aufgaben benutzen möchten. Der iPod kann nur Musik spielen, die meisten Handykameras werden kaum benutzt und außerdem: Wer will schon seine gesamte Online-Kommunikation in die Hände eines einzelnen Anbieters legen, der einen auf Weltherrschaft macht und Wikipedia manipuliert?

Da muss noch was kommen, sonst hat das keine große Zukunft. Wahrscheinlich werden wir in den nächsten Monaten mit Werbung für ComBOTS zugeknallt werden. Aber wirklich gute Konzepte benötigen keine Werbung – sie funktionieren, weil sie gut sind. Google hat so angefangen, bei ComBOTS sehe ich das nicht.

In diesem Sinne: Verfolgen wir das mal weiter!

update 4.9.2006: Bei neuerdings gibt’s einen Bericht von der IFA-Präsentation von ComBOTS bezüglich des offiziellen Launches.