Die Gründlichkeit, das Internet und Ich

Ich bin ja nun wahrlich keiner, der sich im Internet nicht kompetent bewegen könnte. Vergleiche ich es mit meiner Familie und 97% meiner Freunde, könnte man mich als digitalen Informationsjunkie bezeichnen. Dennoch würde ich mich selber nicht zur absoluten Web-Infoelite zählen. Und gerade eben ist mir auch eingefallen, warum das so ist. Die Sache ist einfach zu erklären: Ich bin ein sehr gründlicher Typ und hasse es, Dinge unvollständig zu belassen. Und eigentlich war das schon früher so, denn ich war beispielsweise nie ein Freund von Tageszeitungen, speziell solcher Brummer wie der FAZ oder der Süddeutschen. Weil da so wahnsinnig viel drin steht. Und weil man ja eh nicht alles lesen kann. Tut ja auch niemand, denn für eine durchschnittliche FAZ bräuchte man wahrscheinlich einen kompletten Tag.

Als der SPIEGEL als Druckmagazin noch gut war, habe ich ihn geschätzt – mein Vater hatte ein Abonnement, und so nahm ich mir öfters eines der Hefte vor und las – mit Ausnahme von einigen wenigen Auslands- oder Kulturartikeln – alle Artikel komplett von vorne bis hinten. Natürlich auf mehrere Tage verteilt. Als Schüler und Zivi hatte man ja noch viel Freizeit.

Heute habe ich weniger Freizeit, dafür die ganze Wucht des Internets als potenzielle Informationsquelle. Und was mache ich, damit ich nicht durchdrehe? Ich suche mir meine Quellen mit großer Sorgfalt aus. So verfolge ich nicht etwa 300 oder 500 Newsfeeds (wie einige meiner Netzbekanntschaften), sondern nur knapp 80. Genauso groß ist die Zahl der Leute, denen ich bei Twitter folge. Sehr klein, wenn man die Anzahl meiner Followers ansieht: knapp 600!

Warum diese Beschränkung? Ich mag es, jeden einzelnen Beitrag in einem Newsfeed auch tatsächlich zu lesen. Oder zumindest den ersten Absatz, wenn es um einen längeren Text geht. Ich überfliege selten. Ich bringe es nicht übers Herz, dutzendweise Nachrichten als gelesen zu markieren. Ähnlich in Twitter: Wenn ich meinen Tweet-Strom offen habe, möchte ich auch nichts verpassen, das Grundrauschen ist mir zuwider. Deswegen konnte ich auch eine lange Zeit dem Phänomen Twitter nichts abgewinnen und tue mir auch heute bisweilen schwer, denn es liegt in der Natur dieses Mediums, keinen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Aber ich merke: Wenn ungefähr ein Tweet pro Minute erscheint, komme ich damit gut klar, auch neben der Arbeit. Allerdings macht es die Auswahl der Leute, denen ich folge, zu einem echten Sozialdarwinismusmarathon. Sobald einer innerhalb von 10 Minuten mehr als 5 oder 6 Tweets rauspustet, fliegt er aus der Liste. Ebenso verfahre ich mit Kandidaten, die auf Dauer nichts als Privatquatsch twittern. Ich versuche ständig, den Tweet-Strom so zu justieren, dass er nicht zu schnell fließt, und nicht zu viel Nonsense enthält. Gleichzeitig gucke ich natürlich stets nach interessanten Netzpersönlichkeiten, die mir noch in der Sammlung fehlen. Ein ständiger Balanceakt, den ich relativ ernst nehme.

Und all das, damit ich nicht ständig Dinge überfliegen oder in der Wahrnehmung wegfiltern muss. Ich liebe meinen Hang Zwang zur Vollständigkeit und Gründlichkeit! Und zum Glück gibt es genügend Verrückte im Netz, die aus der Fülle an Quellen die wichtigsten Stories flott und kompetent heraussieben und mir in Form ihrer Feeds und Tweets zukommen lassen. Danke an dieser Stelle, denn ohne Euch würde mir das Netz weniger Spaß machen!