Microsofts neue Fonts

Es ist ja arg in Mode gekommen, Microsoft für alles Übel dieser Welt schuldig zu sprechen. Richtig so! Aber selbst der schlimmste Tyrann ist lernfähig. Jedenfalls auf typografischem Gebiet. Nachdem 1989 die unsägliche »Arial« über uns hereinbrach, um kurz darauf zusammen mit der rauhen und sperrigen »Times New Roman« die Korrespondenz dieser Welt typografisch nach unten zu ziehen, stehen wir mit den ersten Informationen über die in Longhorn enthaltenen Schriften vor einer kleinen Revolution, denn: Sie sind gut geworden!

Neugierig geworden? Gut. Kommen wir zum peinlichen Teil: Die neuen Schriften heißen Calibri, Cambria, Candara, Consolas, Constantia und Corbel. Wer sich das merken kann …

(Vor einigen Monaten geisterte ja schon ein Frutiger-Klon namens Segoe durchs Netz. Was davon übrig geblieben ist, weiß man nicht. Von den neuen Fonts sieht keine der Frutiger ähnlich. Ob man sich da besonnen hat?)

Ich hatte ursprünglich vor, zu jeder der Fonts ein bisschen was zu schreiben. Doch diese Arbeit wurde mir glücklicherweise abgenommen. Im typeforum findet sich ein sehr schöner Artikel, den ich ganz genauso geschrieben hätte. Lest ihn am besten gleich durch!

Ich begnüge mich mit einigen grundsätzlichen Anmerkungen. Wir haben es hier mit sechs modernen Fonts zu tun, die allesamt eine hohe Qualität aufweisen und für das Lesen am Bildschirm optimiert wurden, ohne die Druckfähigkeit zu vernachlässigen. Das ist nicht selbstverständlich, wurde aber von Microsoft schon vor fast 10 Jahren mit der Georgia und (eingeschränkt) mit der Trebuchet begonnen.

Es gibt unter den neuen Schriften zwei moderne Groteske (Calibri und Corbel), zwei frisch-elegante Antiquas (Cambria und Constantia), eine etwas eigenwillig-weiche Groteske (Candara) und eine Monospace (Consolas).

Was alle Schriften gemein haben, ist gleichzeitig ihre Stärke und Schwäche: Sie sind relativ universell einsetzbar, haben Charme und sind modern. Allerdings dürfen sie als Systemschriften natürlich nicht zu stark in eine bestimmte Richtung weisen. So bezahlen sie den üblichen Preis eines »Everybody’s Darling Fonts«: Eine gewisse, subtile Charakterlosigkeit. So richtig kantig oder rau ist keine der neuen Schriften. Dabei wäre es doch leicht gewesen, statt zwei freundlich-glatten Grotesken zumindest eine etwas härter und vielleicht amerikanischer zu gestalten.

Doch wir wollen nicht meckern: Alle Fonts besitzen echte Kursiven, die glücklicherweise dezent geworden und angenehm lesbar sind. Und sie werden dank ClearType auf dem Bildschrim extrem gut zu lesen sein, das steht fest. Hier muss selbst ich neidvoll anerkennen, dass Microsoft mit ClearType Großes geleistet hat. Auf dem Apple-Rechner sieht seit Mac OS X alles leicht verschwommen aus – und das nervt manchmal gewaltig.

Überhaupt, das Thema Mac wäre noch wichtig. Wird es die Longhorn-Fonts auch für Mac OS X geben? Sicherlich nicht in Form von kostenlosen Downloads. Aber als Bundle mit dem Office-Paket? Oder vielleicht gar in Apple-Kooperation zusammen mit dem Tiger-Nachfolger? Man kann hoffen, dass sich da etwas ergibt, damit die Web-Typografie sich für die Zukunft fit machen kann. Ich würde es begrüßen.