Pigiarniq

Pigiarniq

Kennt eigentlich jemand Nunavut? Es handelt sich dabei um eine entlegene Region in Kanada und einen der am geringsten bevölkerten Flecken der Welt. Nur 0,01 Menschen leben hier pro Quadratmeter, zumeist Eskimos. Der Nunavuter spricht gesetzlich vier Sprachen, nämlich Französisch, Englisch, Innuinaqtun und Inuktitut. Vorletzteres verwendet zwar unsere bekannten Buchstaben, sieht aber dennoch sehr merkwürdig aus. Letzteres besitzt ganz eigene Glyphen, die durchaus Ähnlichkeiten mit der Georgischen Schrift aufweisen. Doch darum geht es eigentlich gar nicht. Die Regierung von Nunavut ist nämlich bestrebt, allen 28.000 Einwohnern eine kostenlose Schrift zu bescheren, mit der sie am Computer alle vier Sprachen schreiben können – sehr nett. Doch auch wer mit Nunavut nichts am Hut hat, kann diese Schrift namens Pigiarniq gerne nutzen: Sie ist nämlich eine robuste und moderne serifenlose Antiqua. Gestaltet wurde sie von Tiro Typeworks (die gerade ihre Website renovieren).

Charakteristik

Die Pigiarniq ist eine sogenannte Amerikanische Groteske. Diese sind dadurch charakterisiert, dass sie eine große x-Höhe besitzen und durch die Betonung der Vertikalen eher statisch wirken. Daher muss man mit dem Zeilenabstand aufpassen, er muss etwas größer sein als bei anderen Schriften.

News Gothic & Pigiarniq

Eine gewisse Verwandtschaft zur News Gothic (Benton, 1908) lässt sich bei der Pigiarniq nicht leugnen, jedoch ohne den Vorwurf eines Plagiats bemühen zu müssen; Sind die Buchstaben doch ein ganzes Stück breiter und haben durchaus einen eigenen Charakter.

Buchstaben in der Pigiarniq

Der Grauwert ist – positiv ausgedrückt – lebendig, ein bisschen zu unruhig vielleicht, doch an sich geht das schon in Ordnung. Wir haben es hier mit einer dieser etwas unterkühlten Schriften zu tun, die eher technisch und immer ein bisschen ungelenkig daherkommen. Laboratmosphäre. Die fetten Schnitte (bold und heavy) steuern diesem Image ein wenig entgegen: Sie sind deutlich breiter und besitzen die eine oder andere hübsche Rundung, die die Pigiarniq-Familie insgesamt kuscheliger und auch individueller macht.

Sie erreicht zwar nie die Wärme einer Frutiger oder die Prägnanz einer TheSans, doch mit ihrem Vorbild, der News Gothic, kann sie ganz gut Schritt halten.

Umfang/Ausbau

Fünf Schnitte sind eine recht krumme Zahl, und die Verteilung mutet auch seltsam an: Es gibt zwar neben der Regular, wie gewohnt, eine Italic- und eine Bold-Variante. Doch eine Heavy und eine Light findet man sonst selten bei freien Schriften. Letztere ist jedoch nicht viel dünner als die Regular, so dass man sie als echte Alternative im Lauftext ansehen könnte. Ebenfalls echt: Die Kursive! Denkt man jedenfalls zunächst. Doch lediglich die Buchstaben a, e und f wurden tatsächlich neu gezeichnet, der Rest ist geometrisch verzerrt.

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Ein seltsames und sehr nerviges Phänomen gibt es bei den Zahlen und Sonderzeichen zu vermelden: Sie funktionieren nicht. Es kommen beim direkten Tippen andere Zeichen zum Vorschein. Wenn ich jedoch im InDesign in einer anderen Schrift schreibe und den Text danach in die Pigiarniq ändere, so werden die Sonderzeichen korrekt umgewandelt. Ist das unter Windows auch so? Oder habe gar nur ich dieses Problem?

Als Trostpflaster werden uns jedoch alle deutschen Umlaute, das ß, und auch das €-Zeichen spendiert. Mediävalziffern und jede Menge ausländische Glyphen gibt es als Bonbon noch mit dazu! Und wer sich schon immer für geschriebenes Inuktitut interessiert hat, wird im sehr reich ausgebauten Glyphenvorrat ebenfalls fündig. Nur für den Fall, dass…

Die Pigiarniq in der Praxis

Generell warne ich vor zu langen Texten, denen ist die Pigiarniq nämlich nicht unbedingt gewachsen, zu gering ist die Zeilenbildung, zu statisch und aufrecht wirken die Buchstaben. Außerdem fehlen naturgemäß die Serifen!

Doch für Teasertexte und Bildunterschriften in Zeitungen oder Magazinen, für wissenschaftliche Arbeiten (Stichwort Laboratmosphäre), in Überschriften und Zwischenüberschriften aller Art, im Logo-Design oder was auch immer, ist diese Schrift eine Überlegung wert. Sie bietet aufgrund ihres nüchtern-modernen Auftretens eine Vielzahl von möglichen Anwendungsgebieten. Nur eines transportiert sie nicht: Emotionen.

Rechtliches

Wie bei den meisten freien Schriften: Wer sie nicht verändert oder weiterverkauft, darf sie frei für private oder kommerzielle Projekte einsetzen. Komisch: Man darf laut Lizenzvereinbarung einer Druckerei keine Kopie der Schriftenfiles mitliefern – die muss sich die Druckerei schon selbst runterladen. Kostenlos. Verstehe das, wer wolle. Einbetten in PDF oder Flash ist jedoch selbstverständlich erlaubt.

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