Social Dingsbumse - Rien ne va plus!

Die Flut von neuen Applikationen im Web macht mir derzeit ganz schön Sorgen. Naja, das ist vielleicht der falsche Ausdruck. Aber es ärgert mich sehr, dass jeder dahergelaufene Businesskasper Wichtigtuer zurzeit nichts anderes im Kopf zu haben scheint, als eine (oder zwei, oder drei) total »web2.0ige« Plattformen ins Netz zu drücken.

Die Macher/Initiatoren haben meist einen BWL-Hintergrund und besitzen kaum ein detailliertes Gespür für die Mechanik und die Gestaltung von guten und erfolgreichen Webanwendungen. Sie sehen nur die ganzen neuen bunten Mitmachsachen im Web – allen voran natürlich die vermeintlichen Erfolgsgeschichten von XING, StudiVZ und MySpace, und wollen das nachmachen, um Kohle zu verdienen. Und nur das.

Also werden rasch über XING ein paar Studenten Freelancer angeheuert, die für wenig Geld ein Rails Projekt aufsetzen können (Nur mit Rails kann man schließlich total web2.0ig sein. Liest man ja überall.). Dann noch einen Designer ins Boot geholt (Briefing: Schön knallige Farben und so lustige beta-Sterne, denn ohne die darf man sich nicht sehen lassen!). Dann bekommt das Ding einen trendy Namen verpasst (Meine Vorschläge: Floonzr, Shiniby, Plockster, Zentiboo oder Trend.occio.us), fertig ist das Ganze. Hauptsache, man kann sich einloggen und andere User als Freunde hinzufügen – der Rest ist Nebensache.

Ich glaube jedoch ehrlich, dass das alles schon wieder kalter Kaffee ist. Der Kuchen ist verteilt, der Markt gesättigt. Man braucht keine 15 oder 20 weiteren Studentenplattformen oder Shoppingplattformen oder MySpace-Klone oder Miniblogsysteme. Es ist vorbei. Wer jetzt noch Geld in ein solches Startup investiert, wird keine Freude daran haben.

Und was die ganzen windigen bis schmierigen Startupper angeht: Lernt bitte, dass man eine Sache mit vollem Herzen betreiben sollte und nicht nur der Kohle wegen. Lest das Buch von 37signals! Denkt nicht, dass Ajax ein Ersatz für ein gutes und neuartiges Konzept ist! Versucht nicht, die Leute zu verarschen – die merken das, im Gegensatz (leider!) zu den Banken.

Und hier ein Beispiel dafür, was ich meine: Invyte, die wohl seelenloseste Social-Irgendwas-Plattform, die ich je gesehen habe. Stellvertretend für dutzende Beispiele, die zurzeit aus dem Boden sprießen und noch aus dem Boden sprießen werden.

Und hier ein Beispiel, wie es auch anders gehen kann. Eine handfeste Idee, mit handfestem Geschäftsmodell, sympatisch und ansteckend umgesetzt: MyMuesli Kaum unnötige Social-Funktionen, ganz dezent, aufgeräumtes und wenig klischeehaftes Design – wieder einmal das beste aus der Web2.0-Usability-Lehre ohne den störenden Kitschkram. Guckt Euch das mal an! Wobei die Idee mit dem modularen Essen ja ursprünglich von mir kommt ;-)